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Gehirngerecht schreiben

Das Lesen von komplizierten Büchern macht uns dümmer, als wir sind.
Das glaubst du nicht? Ist aber so. Dazu gibt es tatsächlich wissenschaftliche Studien.

Wie genau das zustandekommt, das erfährst du am Ende dieses Artikels.

Zunächst einmal schauen wir uns an, was denn einfacher sein oder werden darf bei einem Buch. Und warum es nicht immer hochgeistig sein muss.

Einfache Sprache

„Das darf doch nicht so einfach sein!“, höre ich immer wieder von Kundinnen. „Diese einfache Sprache – ich bin Akademikerin, was sollen die Kollegen denken?“

Meine erste Frage lautet dann: „Für wen schreibst du? Für die Kolleg:innen – oder für Laien?“

  • Wenn die Antwort „Laien“ lautet, dann versteht sich von selbst, dass die Sprache eher barrierefrei sein sollte. Schließlich soll das Buch nicht nur mit Freude gelesen, sondern auch verstanden werden!

Ich selbst laboriere derzeit lesenderweise an einem Buch von zwei Ärzten, das super spannend ist – vom Inhalt her. Leider liest es sich super schlecht. Es wird referenziert ohne Pause – offenbar hatten die beiden Angst, ihren Kolleg:innen nicht die notwendigen Lorbeeren zukommen zu lassen. Und sie schreiben in Medizinersprache. Ich werde mich durchquälen – aber von einem angenehmen Leseerlebnis kann man leider nicht sprechen!

  • Lautet die Antwort „Fachpublikum“, dann muss man sich immer noch fragen: Welches?

Gerade, wenn du für, sagen wir, Erzieher:innen, Tierwärter:innen, Verkäufer:innen und Co schreibst, dann solltest eines bedenken: Die Zielgruppe besteht in erster Linie aus MENSCHEN. Und Menschen besitzen ein Gehirn*. Dieses Gehirn hat eine Eigenschaft, die alles andere überragt: Es ist faul. Soll heißen, je übersichtlicher, verständlicher und einfacher – also gehirngerechter – die Inhalte aufbereitet sind, desto besser können sie verarbeitet werden.
Bei trockener, fachlicher, akademischer Sprache tun unsere kleinen grauen Zellen sich schwer.

*Ich möchte bitte damit nicht sagen, dass Akademiker:innen wie Mediziner:innen oder Jurist:innen o.ä. keine Menschen sind. Doch sie sind ohnehin schon aus dem Studium an Leid und schwierige Texte gewöhnt. ;-)

Einfache Sätze

„Das darf doch nicht so einfach sein!“, sagen oft meine Coachees. „Ich kann doch so schön schreiben – warum soll ich meine Talente nicht ausleben?“

Nun – was ist schön? Sind verschachtelte Sätze wirklich schöner als einfache, die durch ihre Eleganz strahlen? Sind Wörter, die wir im täglichen Umgang niemals verwenden würden, besser als die, die uns auch im Alltag aus dem Mund fallen?

Aus meiner Erfahrung geht es beim Schreiben von Büchern sehr viel darum, sich verständlich zu machen, sich auszudrücken, verstanden zu werden. Und das ist umso leichter, je einfacher und bescheidener die Worte sind, die wir verwenden.

Das Gleiche gilt für Metaphern. Ich bin ein großer Fan davon – in Maßen, nicht in Massen. ;-)

Wenn ein Satz lautet:
„Er schoss um die Ecke, als wenn ein wildgewordenes Schwein hinter ihm her wäre, das noch nicht gefrühstückt hat, nur, um sich vor einer Wand von Menschen wiederzufinden, die mit ihren Rücken eine Barriere bildeten, die der Chinesischen Mauer glich“, dann ist das ein bisschen zu dick aufgetragen. Zu Übungszwecken ist es durchaus okay, aber es sollte so in keinem Buch landen. Das wäre tatsächlich eine B(r)uchlandung!
Und wenn du die Wahl hast zwischen „schön“ und „gut leserlich“, dann entscheide dich bitte immer für das zweitere – außer, du schreibst Gedichte oder rein romantische Prosa. Das darf durchaus auch einmal unverständlich sein. Wenn’s denn sein muss.

Einfache Botschaft

„Das darf doch nicht so einfach sein!“, ruft so mancher Trainer, der mit seinem Buch-Konzept zu mir kommt. „Ich hab doch so viel zu sagen – warum nur eine Botschaft? Was ist mit dem Rest?!“

Schon aus dem Zeitungswesen kennen wir die Regel: „Wer drei Dinge sagt, sagt gar nichts!“
Deswegen ist es wichtig, eine (eine!) Kernbotschaft zu formulieren. Eine, um die sich dein Buch dreht. Natürlich kommen andere Botschaften dazu, die diese eine Botschaft unterstützen – aber sie dürfen kein „neues Fass aufmachen“, wie man so schön sagt.

Klar hast du viel zu sagen. Und klar kannst du (idealerweise) über deinen Tellerrand hinausschauen. Aber verwirre deine Leser:innen nicht mit zu vielen unterschiedlichen Botschaften! Das hilft weder dir noch dem Verständnis für dein Buch!

Einfaches Thema

„Das darf doch nicht so einfach sein!“, grantelt so mancher nach seinem Gespräch mit mir. „Ich habe viele Talente – warum muss ich mich auf eines beschränken?!“

Es ist toll, wenn du ein Hansdampf in vielen Gassen bist – doch in deinem Buch solltest du idealerweise nur eine Seite von dir präsentieren. Du möchtest als Expert:in wahrgenommen werden. Wenn du jedoch von Kunststicken über Kommunikationskultur bis hin zum modernen Langlaufen alles in dein Buch packst, weiß niemand mehr, wofür du stehst.

Zu dieser Regel gibt es eine Ausnahme: Wenn du nämlich genau diese Vielfältigkeit zu deinem Thema machst. Dann allerdings … ist wiederum die Vielfältigkeit das Thema, nicht Details über Kunststicken, Kommunikationskultur oder Langlaufen!

Wir haben eine bestimmte Vorstellung, was wir uns von einem Buch erwarten – und diese umfasst selten, dass wir in einem Buch über Goldfische eine Kochanleitung für Gulasch finden.

Wie einfach darf es also sein?

Nun, so einfach, dass das Gehirn deiner Leser:innen Freude damit hat.

Es sollte nicht unterfordert werden, im Sinne von Drei-Wort-Sätzen oder super schlichter Grammatik. Es sollte aber auf keinen Fall überfordert werden.

Warum? *trommel* – jetzt kommt die Auflösung: Unter anderem deswegen, weil unser Frontalkortex bei allem, was unsere Denkleistung betrifft, eine Menge mitzureden hat. Sobald wir uns überfordert fühlen, bricht Stress aus. Und dieser Stress macht uns – im wahrsten Sinne des Wortes – weniger intelligent, als wir eigentlich sind.[1] Unser Gehirn macht zu, und wir verstehen weniger von dem, was wir lesen. Noch weniger, muss man in dem Fall sagen. Eine klassische Negativspirale entsteht. Und das ist das Letzte, was wir wollen. Denn nicht nur wirkt sich dieser Stress, den andere beim Lesen unseres Buches empfinden, negativ auf unsere Rezensionen aus, es macht auch uns als Autor:innen weniger sympathisch. Und wir alle wissen: Menschen kaufen von Menschen. Sei es das nächste Buch oder die Dienstleistung / das Produkt, das wir in unserem Buch vorstellen.

Fazit: Einfach ist gut. Einfache Sätze, einfache Sprache ohne Fachjargon, ein-fache Botschaft (anstatt mehrfache), ein-faches Thema (anstatt mehrfaches). Ein Buch zu schrieben, ist nicht immer einfach. Aber mach das Buch selbst so einfach wie es dir möglich ist! Dem Gehirn deiner Leser:innen zuliebe!

Noch Fragen?

Her damit – aber einfach, bitte!

[1] Siehe z. B. diese Veröffentlichung der Universität Zürich.

Lisa Keskin ist
Autorin, BuchMacherin,
Leiterin der Ghostwriting Academy
und  Schreibcoach